Ein Gespräch über das Raeume-Energiekonzept
Inzwischen ist auch das letzte noch fehlende Element verbaut und sämtliche Komponenten unseres Energiesystems arbeiten so zusammen, wie sie sollen. Der perfekte Zeitpunkt, um sich noch einmal mit den Gedanken dahinter zu beschäftigen.
Die Schlagworte „Wärmewende“ oder auch „Energiewende“ sind nicht erst seit dem letzten Winter ein wichtiges Thema. Immer stärker wird deutlich, dass es so, wie es ist, nicht bleiben kann: Der Fokus auf fossile Brennstoffe ist in gleich mehrfacher Hinsicht schädlich und alles andere als zukunftsfähig. Wenn man also neu baut oder umbaut, kommt man an diesem Thema nicht vorbei und hat gleichzeitig die Möglichkeit, ganz konkret Ideen für eine möglichst verbrennungsfreie Zukunft zu entwickeln. Die Energiewende fängt in den eigenen vier Wänden an, sofern man in der Position ist, das selbst zu entscheiden und die Mittel dafür hat.
Bei unserer Großbaustelle, dem Neuen Stall und der Silowohnung, war für uns bereits im Planungsprozess klar, dass wir das Thema Energieversorgung mitdenken wollen. Aus welchen Komponenten genau sich das Konzept zusammensetzt und wie es funktioniert, könnt ihr hier nachlesen. In einem Gespräch mit Ronja, die sich gemeinsam mit Marco und Johannes, zwei weiteren (ehemaligen) Projektmitgliedern die Kriterien für die Raeume-Energieversorgung überlegt hat, haben wir nochmal nachgefragt, was das Konzept so besonders macht.
Raeume: Du hast das Energiekonzept mit entwickelt. Wie war der Prozess, also wie ist die Idee zu dem Zusammenspiel unterschiedlicher Technologien entstanden, die heute für Wärme im Neuen Stall sorgen? Was war euch wichtig?
Ronja: Am Anfang stand die Klarheit in der Gruppe, dass wir unser neues Wohngebäude möglichst ökologisch mit Strom und Wärme versorgen wollen. Schnell hat sich gezeigt, dass das, was uns unsere Architekten und Fachplaner als Standardlösung angeboten haben – entweder eine ‚effiziente‘ Gastherme oder eine Holz-Biomasse Heizung – überhaupt nicht zu unseren Vorstellungen passt. Zu dritt haben wir uns dann eingelesen und Kriterien aufgestellt.
Uns war wichtig, dass unser Energiesystem vollständig fossil-frei, ressourceneffizient, möglichst pflegeleicht, skalier- und übertragbar ist. Damit war Gas selbstverständlich raus – aber auch Holzverbrennung. Denn die Verbrennung von Holz stößt erhebliche Mengen von Feinstaub und CO2 aus und seine Gewinnung führt weltweit zur Zerstörung wertvoller Ökosysteme. Sowohl eine Wärmepumpe als auch Solarthermie erfüllen hingegen unsere Kriterien.
Wir hatten zudem das Glück, dass wir sowohl unseren Energieplaner als auch unsere Architekten gewinnen konnten, wirklich kreativ und ehrgeizig zu denken. Mit der Unterstützung von Professor Volker Huckemann haben wir dann zusammen ein ziemlich einzigartiges Konzept entwickelt, das eine Erd-Wärmepumpe und Solarthermie mit einem großen Pufferspeicher kombiniert.
Raeume: Was macht das Energiekonzept so besonders?
Ronja: Bei den ersten Überlegungen zum Energiekonzept sind wir immer wieder auf die Aussage gestoßen, dass es um eine Entscheidung zwischen Solarthermie mit großem Pufferspeicher und einer Wärmepumpe in Kombination mit Photovoltaik (PV) geht. Solarthermie nutzt mit relativ simpler Technik Sonnenwärme, um Wasser zu erwärmen. Ein großer Pufferspeicher als Langzeitwärmespeicher kann diese Wärme dann über Wochen speichern. Photovoltaik wandelt Sonnenstrahlung in Strom um. Mit diesem Strom kann dann eine Wärmepumpe betrieben werden, die mithilfe von Umgebungswärme (in unserem Fall der im Boden gespeicherten Wärme) Nutzwärme gewinnt. Beide Systeme können also unterschiedliches. Da wir auf einem alten Hof genügend Platz und Dachfläche haben, haben wir uns gefragt, warum nicht beides? Das ist ungewöhnlich aber erlaubt uns in Zukunft im Sommer und Herbst auf die Wärmepumpe weitgehend zu verzichten und sie auch im Winter zu entlasten. Damit können wir unseren Energiebedarf und auch unseren CO2 -Ausstoß nochmals senken. Das sind so ca. 5,5t CO2 pro Jahr im Vergleich zu 8t bei einem System mit PV und Wärmepumpe.
Raeume: Wofür brauchen wir einen Pufferspeicher?
Ronja: Pufferspeicher erlauben es, Wärmeproduktion und Wärmebedarf zeitlich zu entkoppeln. Normalerweise geht es dabei um ein paar Stunden, z. B. über die Nacht. Wir haben uns für einen Langzeitwärmespeicher entscheiden. Mit 25m³ Wasser kann unser Pufferspeicher Wärme über mehrere Wochen speichern und uns so helfen, Wärme aus dem Sommer mit in den Herbst zu nehmen.
Raeume: Ist das Konzept übertragbar und ist das die Zukunft der Energieversorgung in Deutschland?
Ronja: Jedes Gebäude ist unterschiedlich in Bezug auf Wärmebedarf, Nutzung, Standort etc. Das heißt, die Wärmewende braucht viele passgenaue Lösungen. Unser Energiekonzept hat zwar geringe Betriebskosten, aber dafür relativ hohe Investitionskosten und außerdem mit dem Pufferspeicher und der Erdwärmepumpe einen größeren Platzbedarf. Nicht so viele Bauherr*innen werden sich daher so entscheiden (können). Gleichzeitig sind die einzelnen Elemente (Solarthermie, PV, Wärmepumpe, Pufferspeicher) lang erprobt und absolut übertragbar! Es sind sozusagen die Grundzutaten der Wärmewende! Wir hoffen, dass wir mit unserem Konzept aufzeigen können, was mit diesen Grundzutaten alles möglich ist.
Raeume: Hast du Wünsche oder Ideen, wie sich das Konzept auf dem Hof noch weiter entwickeln könnte?
Ronja: Aktuell werden die beiden älteren Gebäude auf dem Hof weiterhin mit Erdgas beheizt. Ich wünsche mir natürlich, dass sich das möglichst bald ändert. Um sozial- und klimaverträglich zu heizen, aber natürlich auch, um den Wohnkomfort in diesen Gebäuden zu steigern und langfristig Geld zu sparen, sollten wir diese Gebäude deutlich besser dämmen und die Gasthermen durch weitere Wärmepumpen ersetzen. Dass dies auch im Altbau möglich ist, zeigen zum Glück mittlerweile zahlreiche Studien.
Raeume: Vielen Dank für das Gespräch und deine Ideen und Impulse!